Streif Vertical up - oder: One Hell of a Run!

Streif Vertical Up

Gastbeitrag von Paul:

Mausefalle, Seidlalm oder Hausbergkante – bei jedem alpinem Ski Fan leuchten bei diesen Begriffen die Augen auf, denn er weiß, dass es nur um die legendäre Streif in Kitzbühl gehen kann. Jene berüchtigte Weltcup-Abfahrt, auch Hahnenkamm-Rennen genannt, die jährlich tausende Fans in den beschaulichen Alpenort lockt. Hier wurden Legenden geboren, aber auch Karrieren beendet. Kein Wunder, denn bei einem Gefälle von bis zu 85% und Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 140 km/h sind absolute Höchstleistungen gefordert. Nun wird kein normaler Mensch je in den Genuss einer solchen Abfahrt kommen, obgleich die Strecke im Gegensatz zu früher, inzwischen für jedermann freigegeben ist. Denn präpariert wird diese Piste nur für den Weltcup, ansonsten bleibt sich der Hang selbst überlassen. Allerdings gibt es seit 2011 ein neues Event, das „Vertical Up – One Hell of a Run“. Bei dieser Veranstaltung wird quasi alles umgekehrt, denn es geht unten los und das Ziel ist das Starterhäuschen der Skirennläufer. Die Regeln geben lediglich Helm, Stirnlampe und Startnummer als Pflichtausrüstung aus, alles andere bleibt freigestellt. Jeder kann es auf seine Art versuchen, möglich sind zum Beispiel Tourenski, Langlaufski, Schneeschuh oder auch Bergsteigerausrüstung inklusive Steigeisen. Da ich (Trail-)läufer bin, entschied ich mich, so wie die große Masse der Starter, für leichte Trailschuhe mit Grödel und Stöcken. Keine schlechte Wahl wie sich herausstellen sollte.

Um 18:30 sollte der Startschuss fallen, daher fand ich mich kurz nach 18 Uhr im Startbereich ein und versuchte die Beine noch ein bisschen zu lockern und mich ein wenig warm zu machen. Zwischendurch schnappte man immer wieder ein paar Durchsagen auf, hier wurde unter anderem vom „schönsten Masochismus“, den man sich selbst antun kann, gesprochen. Eine durchaus passende Beschreibung, denn auf gut 3,3 km sind 860 hm zu überwinden. Gut das ich keine echte Vorstellung von der Strecke hatte. Reine Zahlen sagen ja erstmal nicht viel aus und die Bilder, die man aus dem Fernsehen kennt, geben eigentlich nur die Hälfte wieder. Auf die circa 1000 Starter kamen mindestens nochmal so viele Zuschauer am Start, welche mit Fackeln und großem Beifall die Stimmung abrundeten. Angefeuert von dieser Masse, ging es pünktlich mit einem Höllentempo auf die Strecke, denn jeder wollte sich einen guten Platz sicher, bevor es Richtung Hausbergkante ging. Von 0 auf 180 ist hier durchaus wörtlich zu nehmen, denn nach dem Startsprint ging es nahtlos in die erste Steile „Wand“ hinein. Hier machte ich leider einen großen Fehler, indem ich einfach mitten in den Hausberg hineinlief, bzw. stieg. Nach kurzer Zeit wurde es sausteil und ich war über meine Spikes an den Schuhen mehr als froh. Leider hatten um mich herum nicht alle Athleten so viel Halt auf dem harten und glatten Untergrund. Einige rutschten leider ab, was in diesem Gelände zu sehr langen Rutscheinlagen führte. Auf Grund der Steilheit beschleunigte man in kürzester Zeit ungemein und verlor jegliche Kontrolle, wodurch noch einige Andere mit in die Tiefe gerissen wurden. Ein schnelles Ausweichen war nämlich in diesem Gelände unmöglich, ohne selbst zum Geschoss zu werden. Ich hatte äußerstes Glück das ich nicht mitgerissen wurde, stellte aber meine Rennbemühungen kurzzeitig ein und bewegte mich langsam zum Rand der Piste, wo der Aufstieg deutlich sicherer war. Kurzzeitig spielte ich sogar mit dem Gedanken, die ganze Sache abzubrechen, denn die Stürze waren mit unter schockierend mitanzusehen. Letztlich bleibt nur zu hoffen, dass niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist.

Nach knapp 10 Minuten hatte ich mich wieder gefangen und war erneut in der Spur. Ich setzte meinen Weg unbeirrt fort und versuchte Platz um Platz gut zu machen. Die Strecke blieb dabei immer abwechslungsreich. Unfassbar steile Stücke, wechselten sich mit seichteren Teilen ab. Auf Höhe der Seidlalm gab es dann kurz die Möglichkeit, etwas zu trinken, um im Anschluss die zweite Hälfte in Angriff zu nehmen. Flacherer Passagen konnte ich dabei im Laufschritt zurücklegen, was eine sehr angenehme Abwechslung darstellte. So langsam liefen wir dann auch Richtung großem Finale und während sich der Puls in immer neue Höhen empor schwang, tat sich vor uns die berühmt berüchtigte Mausefalle auf, die mit 85% die steilste Stelle der ganzen Strecke beinhaltet. Hier galt es noch einmal alle Kräfte zu sammeln, die Konzentration hoch zu halten und entgegen jeglicher Erschöpfung alles herauszuhauen, was vielleicht noch im Tank war. Die jubelnden Zuschauer und der immer lauter werdende Moderator im Zielbereich kitzelten dabei die letzten Prozente noch einmal heraus. Und so war ein niemals enden wollendes Abenteuer für mich plötzlich und abrupt nach gut 54 Minuten zu Ende.

Am Ende wurde einem noch die obligatorische Medaille um den Hals gehangen, welche ich mit Stolz die ganze Nacht hindurch trug, denn dieser Lauf hat sich nachhaltig in Erinnerung gebracht. Die Organisation war klasse, die Zuschauer haben jeden ins Ziel getragen, und besonders die Strecke lässt mich immer noch erstaunen. Wahrlich „One Hell of a Run“!

Streif Vertical Up

 

Wem unser Fotomaterial zu dürftig ist, der kann sich hier ein eindrucksvolles Video über dieses Event reinziehen:

 

Und zur offiziellen Fotogalerie geht es hier

 

Vielen Dank an Paul für diesen interessanten Beitrag :)

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